~'Du Arme,du bist gereist.'
Anfangs habe ich mich ja wirklich gefragt, weshalb man jemanden bemitleidet, wenn er eine Reise macht. Doch jetzt nach 4 Monaten im Land kann ich das gut nachfühlen und bin jedesmal dankbar für diese trostspendenden Worte.
Wie man kürzere Strecken zurücklegt habe ich ja schon mehrfach erklärt, dafür gibt es die Daladalas. Für richtige Kurzstrecken, also zB von mir zu Hause bis zur Schule, da nimmt man sich am besten ein Bodaboda. Ich habe auch schon einen sehr treuen Fahrer, der jeden morgen an derselben Stelle auf mich wartet, auch wenn ich an mindestens 6 von 7 Wochentagen Rad fahre. Piki und Dala sind also nach einiger Umstellungszeit von BVG auf tansanische Transportmittel schon lange alltäglich und nichts besonderes mehr.
(nochmal die Begriffsklärung:
Daladala - Minibus
Pikipiki - Motorrad
Bodaboda - Motorradtaxi)
Aber durch Urlaub und meine letzte Busfahrt nach Moshi* am Donnerstag letzter Woche motiviert, gehe ich heute mal im genaueren auf die Langstrecken ein.Ja, die sind immer wieder ein Abenteuer! Meist reist man mit dem Bus, die Ausnahmen sind der Zug, der nicht überall fährt und den ich noch nicht ausprobiert habe, und das Schiff, wovon man ja im letzten Eintrag lesen kann.
Allein das Buchen der Bustickets kann recht anstrengend sein. Am besten man erledigt es telefonisch, wozu unser Kiswahili aber ab und an noch ein wenig holprig ist, oder man geht zu einem Buchungsbüro der gewünschten Firma außerhalb des Busbahnhofs. Ist dies aber nicht möglich, muss man eben zu besagtem Bahnhof gehen. In Singida geht es noch, in Moshi ist es etwas extremer und in Arusha ist es schlimm: Alle bestürmen dich, ziehen an deinen Klamotten, reißen dir im Zweifelsfall die Koffer aus der Hand, um sie in ihren Bus zu schaffen. Es ist auch egal, ob du schon ein Ticket hast oder ganz woanders hinwillst, denn meistens wird dir gar nicht richtig zugehört. Wenn du dann endlich an einem Schalter, der dir vertrauenswürdig erscheint und das richtige Ziel anbietet, angekommen bist, dann ist das Schlimmste geschafft. Noch schnell klar machen, dass du zum normalen Preis reisen willst, nicht zum Mzungu Bei (Europäer Preis), und sichergehen, dass dir auch eine Sitzplatznummer zugeteilt wird.
Am Morgen der Abreise muss man früh aufstehen! Die meisten Busse fahren um 06 Uhr in der früh, also sollte man ab um 05.30 Uhr da sein. Das kann dann bedeuten, dass man entweder der allerletzte ist und der Bus eigentlich schon losrollt, dass man noch gemütlich eine halbe Stunde im Bus wartet oder dass man noch zwei Stunden in der morgendlichen Kälte, wenn man Pech hat auch im Regen, steht, bis der Bus überhaupt kommt. Ja, mit Abfahrtszeiten haben sie es nicht so. Dann der spannende Augenblick - wurde mein Ticket doppelt ausgestellt? Gerade erst Donnerstag hatte ich das Pech, das Sitzplatz 7 noch an eine andere sehr resolute Dame vergeben war, die die Schuld dieses Missgeschicks bei mir gesucht und auch vehement ignoriert hat, dass ich sie verstehe, wenn sie von 'der Weißen, die eh keine Ahnung hat' redet. Habe mich dann höflich zurückgezogen und einer von der Buscrew hat mir seinen Sitz angeboten. Das ist aber noch glücklich, eine andere Freiwillige hat mal erzählt, dass sie sich mal einen Sitzplatz teilen musste, und zwar ganz bis nach Bukoba (am Victoria Lake)!
Wo wir bei dem Platz im Bus angekommen sind. In irgendeiner Weise ist es immer eng! Ob man mit den Knien an den Vordersitz stößt oder auf Kuschelkurs mit seinem Nebenmann ist, da die Sitze unwahrscheinlich schmal sind - Körperkontakt ist garantiert! Ebenfalls Donnerstag zB saß neben mir zuerst ein junger Mann, der auf meiner Schulter eingeschlafen war, und dann eine unwahrscheinlich dicke Frau! Aber immerhin saß ich am Fenster - sitzt man am Gang ist man nämlich einem neuen Risiko ausgesetzt: Nimmt die Busgesellschaft noch zusätzlich Leute mit, die im Gang stehen und einen geringeren Preis zahlen? Wenn ja, dann ist es ähnlich wie auf der Fahrt nach Mwanga, die ich mal beschrieben habe: Sagt Hallo zu fremden Babyfüßen, Ellenbogen und Taschen im euren Gesichtern und auf eurer Schulter.
Was ist noch typisch für einen tansanischen Bus? Natürlich - die ununterbrochene Beschallung. Und die ist, ebenfalls typisch tansanisch, eigentlich immer zu laut! Egal wie klapprig der Bus, ein Fernseher ist überall vorhanden und dort laufen dann die ganze Reise, egal ob 3 oder 10 Stunden, tansanische Musikvideos, Liebesfilme, Comedy und Sitcoms. Da muss nun jeder für sich entscheiden wie er das findet. Ab und zu ist es ganz schön und unterhaltsam, aber wenn man 8 Stunden lang in Dauerschleife dieselbe CD hört, kann das schon ein wenig die Nerven strapazieren;)
Doch genug gemeckert - es gibt definitiv auch Dinge, die ich beim Busfahren sehr schätze! Zum einen wären da die Bekanntschaften die man macht. Besagte dicke Dame ist zB eine langjährige Kindergartenfreundin von meiner Mama und wir haben uns total gut unterhalten. Oder einmal saß ich neben einem Mann, der ehemaliger Marathonläufer war, gutes Deutsch gesprochen hat, weil er dort so oft Rennen gelaufen ist, und inzwischen an einem Wasserprojekt in der Nähe von Singida mitarbeitet. Er wurde zum Schluss leider ein bisschen cholerisch der Busgesellschaft gegenüber und es wurde alles ein wenig unangenehm, deshalb weiß ich noch nicht, ob ich seiner Einladung nachgehe, um mir das Projekt anzusehen. Habe aber seinen Namen gegoogelt, er ist tatsächlich Marathon gelaufen!
Aber das absolute Highlight ist das Einkaufen im Bus!
Und zwar muss man sich dafür kein Stück bewegen: Regelmäßig halten die Busse für kurze Zeit irgendwo an, an Haltestellen, um etwas ein- oder abzuladen, um irgendwelche Straßengebühren zu zahlen, etc., und bei diesen Gelegenheiten schiebt man dann einfach sein Fenster auf und schaut was sich dort so tummelt. Überall Verkäufer, die dir ihre Ware andrehen wollen. Die meisten verkaufen Maji & Soda (Wasser und Softdrinks) und Pipi (Süßigkeiten), viele haben selbstgebastelte Papptafeln bei sich, an die sie alle möglichen Dinge gepinnt haben, die wirklich niemand haben möchte (sollte man jedenfalls meinen..): Quietschbunte bis superkitschig blinkende Uhren und Sonnenbrillen, Plastikspiegel in Neonfarben und Klappmesser, die so aussehen, als sollte man eine Lizens für sie haben. Ich habe es mir zum Spaß gemacht Frieda die besonders schönen Exemplare dieser Händler immer wieder anzubieten, wenn sie wollte, hätte sie jetzt schon eine beträchtliche Ansammlung von Obama-Unterhosen und Kitsch.;)
Aber das Beste ist das Essen, was man aus dem Fenster kaufen kann! Meine Favoriten dabei sind gebratene oder gekochte Maiskolben (300-500TSH ~ 20-25ct), gekochte Eier mit Salz (250TSH), Sambusa (dreieckige fritierte Teigtäschchen, die es mit Gemüse, Fleisch und Kartoffel gibt - die mit Fleisch sind am besten! 200-300TSH) und natürlich frisches Obst. Und das Beste - die Händler am Fenster handeln meistens nicht, weil dazu keine Zeit ist, der Bus könnte ja gleich weiterfahren. Und was macht man, wenn das gewünschte Produkt gerade nicht vorbeiläuft? Ganz einfach! Man spricht einfach einen der Händler an, sagt beispielsweise, dass seine Colas einem nicht kalt genug sind und dass man außerdem noch 3 Eier haben will, und in einer Minute wird er mit eisgekühlter Coca Cola und dem Eierverkäufer unter deinem Fenster stehen. Sehr bequem das alles!
Insgesamt ist das Reisen also immer sehr anstrengend und es gab bisher keine Busfahrt auf der ich nicht in einem schwachen Moment neidisch auf die Touri-Rangerovers gelinst hätte, die wir natürlich in halsbrecherischem Tempo überholen, aber insgesamt ist es doch immer witzig und ich freue mich schon jetzt auf die Rückreise nach Singida wegen der Sambusa vom Busbahnhof in Arusha!
* Einer der Brüder meines Vaters ist vorletztes Wochenende verstorben und deshalb ist die ganze Familie einschließlich mir für mehrere Tage in das Dorf gefahren, in dem Baba und seine Geschwister groß geworden sind. Es liegt in den Bergen in der Nähe von Moshi und ich erlebe hier auf jeden Fall einiges. Dazu aber später ein eigener Eintrag.