Dienstag, 13. November 2012

Mama Camilla

"Umekula nini leo?" 
Diese Frage stellt meine tansanische Mama mir jeden Tag. Was hast du heute gegessen? Ich glaube, das ist eine ihrer größten Sorgen, dass ich nicht genügend essen bei ihr zu Hause bekommen könnte. Ich bewundere meine kleine runde Mama. (Dass ich sie Mama nennen soll, hat sie mir gleich am ersten Tag gesagt - schliesslich bin ich jetzt ihr Kind!) Jeden Tag geht sie arbeiten, meistens ab acht Uhr morgens, und wenn sie um halb neun schon zu Hause ist, dann war es ein kurzer Tag. Wenn sie nicht im Vatkan organisiert, kocht und Gäste empfängt, dann arbeitet sie in unserem Laden in der Stadt, zB wie die letzten Tage, da mein Baba auf Geschäftsreise in Moshi ist.
Aber die Arbeit ist noch lange nicht alles, was sie zu tun hat. Nebenbei gibt es auch den Haushalt! Wir haben zwar drei Hausmädchen, doch auch diese müssen ab und an zurecht gewiesen werden und Anweisungen von oben bekommen, denn dass sie sich um Aufgaben reissen, kann man nun wirklich nicht sagen - wie bei eigentlich jedem Teenager, den ich kenne! Also muss zu Hause auch noch viel erledigt werden: Es wird gekocht und zwar über offenem Feuer, ohne Topfhandschuhe und fließend Wasser in der Küche. Des Weiteren wird aufgeräumt, am Sonntag hatten wir zB Großreinemachen im Wohnzimmer, wobei alle Polster unserer Sofagarnitur abgezogen und (natürlich mit der Hand!) gewaschen werden mussten. Und dann ist da natürlich noch Madita. Zwar kümmert sich meistens Farida oder eine der älteren Schwestern um das Baby, aber sie wird immernoch manchmal gestillt und war in der letzten Zeit auch ein paar Mal krank. Sie ist Mamas 7. Kind, für tansanische Verhältnisse ganz normal! Jedes Mal, wenn ich erzähle, dass ich Einzelkind bin, sind alle ganz betroffen und bemitleiden mich mit Pole Sana! 

Ausserdem finde ich meine Mama äusserst modisch! Sie trägt immer schöne bunte und gut geschneiderte Kleider und Kostüme und hat in ihrem Zimmer bestimmt mehr als drei verschiedene Perücken. Verschieden Kurzhaarfrisuren, einen Afro und eine Frisur mit roten Spitzen. Nur zu Hause sieht man ihre zur kleinen Zöpfchen geflochtenen Haare, die ihr ganz niedlich vom Kopf abstehen.

Aber auch Mama ist eine sehr strenge Frau. Zweimal habe ich jetzt schon mehr oder weniger miterlebt, wie Hausmädchen und einmal auch meine älteste Gastschwester Brenda von ihr mit dem Stock bestraft wurden, was hier leider noch total normal ist. 
Hinzufügen muss ich aber, dass das in meiner Familie trotzdem eine Seltenheit ist! Mama hat mir selbst erklärt, dass sie diese Bestrafungsmethode überhaupt nicht mag, sie aber in manchen Situationen einfach nicht weiter weiß. Das eine Hausmädchen hatte sie zum Beispiel bestohlen, also hat immer, wenn Mama ihr Geld für Milch o.ä. gegeben hat, ein bisschen weniger gekauft, um so für sich Geld zu sammeln. So etwas kommt hier immer über kurz oder lang raus und es hatte sich inzwischen eine beträchtliche Summe angesammelt, sodass ich Mamas Ärger und Enttäuschung durchaus verstehen konnte. Natürlich heiße ich es überhaupt nicht gut, dass sie schlägt, aber es war doch erschreckend zu hören (denn gesehen habe ich es nicht), wie das Hausmädchen erst nach und nach unter dem Stock die wahre Summe gesagt hat. Angefangen bei 500 Shilling ging es leider hoch bis zu 8.000, was mich echt ratlos gemacht hat, weil es Mamas Handeln irgendwie begründet und rechtfertigt.. Ich frage mich, weshalb sie lügen musste. 
Außerdem muss ich zugeben, dass dieser Vorfall nichts an meinen Gefühlen gegenüber Mama geändert hat. Für mich ist sie weiterhin eine liebevolle, tüchtige Frau, die sich super um ihre Familie und auch ihren Spezialfall, mich, den unwissenden und beim Waschen hoffnungslos langsamen und tollpatschigen Weißen, kümmert, während sie in Arbeit versinkt. Ich kann nicht erklären, woran das liegt und weiß auch nicht, ob es richtig ist. Andererseits bin ich als Freiwillige, Nicht-Verwandte und Jüngere sowieso nicht in der Position, sie zurechtzuweisen ohne Probleme für unser zukünftiges Zusammenleben zu schaffen, weshalb es wahrscheinlich ganz gut ist, dass ich so fühle.

Was Mama für mich ausmacht ist, dass sie immer, egal wie anstrengend der Tag für sie auch gewesen sein mag, für mich da ist, bei mir anklopft, um zu fragen wie es mir geht und mir zeigt, dass sie sich für mich interessiert. Wir haben auch schon ein kleines Ritual: Jeden Abend schaut sie vorwurfsvoll auf meinen Bauch und ermahnt mich, mehr zu essen. Dann strecke ich ihn soweit raus, wie ich nur kann, klopfe ihn und sage, dass ich mich schon sehr satt und tansanisch fühle. Dann klopfen wir gemeinsam meinen Bauch und lachen.
Und Mama ist der einzige Tansani, der mich manchmal fragt, ob ich Heimweh habe und auch versteht, wenn ich ja sage. Ich glaube den meisten hier kommt das nicht in den Sinn, ich habe ja alles: Bett, Essen und Geld. Aber Mama fragt und hört zu. 

Auch wenn ich sie selten sehe, ist sie doch sehr wichtig hier für mich und ich bin froh, so eine liebe Gastmama hier in Tanzania zu haben, die auf mich aufpasst und sich kümmert. 

Und an meine richtige Mama: Ich glaube, dass ihr zwei euch wunderbar verstehen würdet! Sie freut sich schon so darauf, dass du kommst und fragt immer wie es dir geht :)

Jioni njema!

Das Bild zeigt Mama morgens vor der Arbeit.

1 Kommentar:

  1. Hallo Camilla, den Eintrag habe ich jetzt schon drei mal gelesen - da hast du es wirklich gut getroffen! Und auf dem Photo sieht sie auch so nett und zupackend aus. Mach ihr doch mal ein Kompliment von deiner Tante, die sich bestimmt nie nach Afrika trauen wird. Deine Stepfl

    AntwortenLöschen